„Du musst raus aus deiner Komfortzone“

Fußballprofi Dominique Janssen zählt zu den weltweit besten Verteidigerinnen. Das klingt ernst. Tatsächlich ist die 27-Jährige vom VfL Wolfsburg voller Lebenslust. Im Interview plaudert die Niederländerin über ihr neues Hollandrad, Duelle mit Jungs und Freiheit.

TEXT: CHRISTIAN OTTO
FOTOGRAFIE: ROMAN PAWLOWSKI
06.09.2022

Frau Janssen, der Frauenfußball wird immer populärer. Was ändert sich?

Unser Niveau. Wir Frauen werden immer besser. In den Stadien sind mehr Energie und Leben. Immer mehr Zuschauer kommen und erzählen weiter, was wir beim VfL Wolfsburg können. Es ist schön, dass wir mehr Aufmerksamkeit für das bekommen, wofür wir hart arbeiten.

Vor großen Kulissen in großen Stadien zu spielen: Was macht das mit Ihnen?

Eigentlich bin ich vor jedem Spiel aufgeregt. Am Ende ist es egal, wie viele Zuschauer da sind. Irgendwann gewöhnst du dich auch an große Kulissen. Das ist wie im Schwimmbad beim Sprung vom 5-Meter-Brett. Das erste Mal ist noch richtig aufregend. Beim dritten Mal versucht man schon einen Salto.

Ihr Credo als Sportlerin lautet: Sie wollen jeden Tag die beste Version von sich sein…

Wenn ich nach meiner Karriere alt bin und in meinem Sessel sitze, möchte ich sagen können: Du hast aus deinem Leben alles herausgeholt. Das Leben ist so kurz. Die Zeit vergeht so schnell. Also musst du raus aus deiner Komfortzone, um dich verbessern.

Sie haben bis zu Ihrem 18. Lebensjahr nur gegen Jungs Fußball gespielt. Hat das geprägt?

Das ist in Holland normal und mega cool. Ich bin dadurch deutlich besser geworden. Die Jungs kannten mich von klein auf und haben mich akzeptiert. Ich konnte zeigen, wie gut ein Mädchen spielen kann und habe auch schon mal die Jungs weggegrätscht.

Fußballprofis sind durch Termine und Spielpläne fremdbestimmt. Was heißt für Sie Freiheit?

Einfach mal feiern, das geht während unserer Saison nicht. Wenn ich auf eine Party gehen möchte, muss ich das schon gut planen. Abends raus und tanzen gehen oder rauf auf das Stand up Paddle-Board – das ist für mich Freiheit. In Wolfsburg auf Inlineskates um den Allersee zu fahren, das hilft auch. Das Normale macht den Kopf wieder frei.

Wenn Sie Urlaub auf einer einsamen Insel machen: Muss dort ein Fußballtor stehen?

Auf keinen Fall. Ein Ball, um einfach mal so zum Quatsch zu spielen, das wäre okay. Aber an echtes Training und richtigen Fußball möchte ich auf einer einsamen Insel nicht denken. Zur Not könnte ich mir aus zwei Kokosnüssen ein kleines Tor bauen.

Wie schalten Sie besser ab: mit oder ohne Social Media?

Ich war bei Social Media aktiv, musste aber zuletzt Abstand davon gewinnen. Ständig zu wissen, wer gerade was macht oder sagt, das ist auch Stress für mich. Ich möchte nicht ständig abgelenkt und beeinflusst werden, sondern einfach den Moment genießen.

Welchen Plan B haben Sie für die Zeit nach Ihrer Karriere?

Später möchte ich gerne anderen Menschen bei ihrer Ernährung helfen. Mein Traum wäre, als Coach eine Gruppe zusammenzustellen, die gemeinsam Sport macht und einen guten Lifestyle findet. So etwas als Plan B für die Zeit nach dem Fußball aufzubauen, wäre gut. Ich möchte nach der Karriere auf jeden Fall gerne Mutter werden, glücklich sein und die kleinen Dinge genießen, die eigentlich selbstverständlich sind.

Wenn Sie pendeln oder reisen: Womit fahren Sie am liebsten?

Ich habe mir vor ein paar Monaten in Wolfsburg ein neues Fahrrad gekauft. Ein grünes Hollandrad mit Körbchen und drei Gängen. Ich wohne in der Nähe des Trainingsgeländes und radele gerne hierher. Das ist gut für die Umwelt und für das eigene Portemonnaie.

Was lockt Sie und Ihr Fahrrad in die Autostadt?

Ich habe eine Jahreskarte und war im Sommer schon oft da, zum Beispiel im Beachclub am Mittellandkanal. Im Winter mag ich es gerne, auf der Eisfläche in der Autostadt Schlittschuh zu laufen. Und in den Pavillons Schritt für Schritt zu sehen, wie sich das Automobil entwickelt hat, ist einfach schön.

Haben Sie dort schon das autonome Fahren für sich entdeckt?

Einerseits ist es beängstigend, wenn man nicht selbst die Kontrolle über sein Auto hat. Andererseits könnte ich, wenn es das autonome Fahren gibt, während der Fahrt viel erledigen. Diese Zeit gut zu nutzen, hat viele Vorteile in der einer Welt, die sich so schnell dreht. Sich während der Fahrt auszuruhen, anstatt selbst fahren zu müssen, das wäre schön.

„Es ist schön, dass wir mehr Aufmerksamkeit für das bekommen, wofür wir hart arbeiten.“

Dominique Janssen


Zur Person

Ihr großer Traum im Frauenfußball? Die Champions League zu gewinnen. Auch deshalb spielt Dominique Janssen seit 2019 beim VfL Wolfsburg. Sie übernimmt dort eine Führungsrolle. Die Nationalspielerin der Niederlande beweist als etablierter Fußballprofi viel Ehrgeiz und gehört zu den weltweit besten Freistoß-Schützinnen.