Herr der Türme

Wir begleiten den „Herrn der Türme“ einen Tag lang bei seiner Arbeit und blicken hinter die Kulissen der schnellsten Fahrzeugauslieferungs-Plattform der Welt. Wie kommen die rund 800 Autos nahezu unbemerkt aus dem Werk in die Türme und wieder hinaus bis zum Abholer? Wer steuert die 1,3 Kilometer lange unterirdische Schienenanlage?

TEXT: SIMONE WILLMANN
FOTOGRAFIE: MATTHIAS HASLAUER, MARK HENDERSON (TURM VON AUSSEN)
05.04.2022

Die gläsernen Türme sind das Wahrzeichen der Autostadt. In logistischer Hinsicht bilden sie das Herzstück der Fahrzeug-Auslieferung zwischen Produktion im Werk und Auslieferung an den Abholer im Kundencentrum. Aber wussten Sie, dass die Türme sogar einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde als schnellstes Fahrzeug-Auslieferungszentrum der Welt halten? Wir durften Thomas Dupont, Koordinator der Automatisierung und Fördertechnik, einen Tag lang bei seiner Arbeit als "Herr der Türme" begleiten.

Thomas Dupont ist bereits seit 2014 zuständig für die Koordination und Fördertechnik in den Fahrzeugtürmen.

Zauberwort Automation: Bewegung wie von Geisterhand
Wie von Geisterhand angehoben gleitet das Neufahrzeug mit dem vertikalen Lift nach oben - keine Kabine, keine schützende Umhüllung. Nur das Auto selbst, nagelneu und glänzend. Die Geisterhand ist in Wahrheit ein Teleskop-Shuttle aus Metall mit sehr viel Sensorik, die unter das Fahrzeug fährt und es auf den Lift-Arm zieht. Rasend schnell gleitet das Fahrzeug per Lift in die Höhe - um genau zu sein mit 2 Metern pro Sekunde, exakt doppelt so schnell, wie es uns Menschen zugemutet wird in der Gläsernen Panorama-Kabine, die denselben Weg befährt wie all die Autos.

Auf einer der 20 Etagen auf fast 50 Meter Höhe verteilt angekommen, wird das Fahrzeug dann zielsicher auf einem der 768 Parkplätze geparkt. All dies geschieht nahezu lautlos, nur beim Heraufziehen auf den Lift und beim Herausschieben klackern die Verriegelungen mechanisch und hallen durch den hohen Turm. Service.

Wer steuert all das? Wer plant, wann ein Fahrzeug wo hingebracht werden soll, geschweige denn 768 Fahrzeuge mit nur vier Liften? Und wer hat die Programmierung dieser ganzen Automation in der Hand?

Das ist der Herr der Türme, der Wächter über all die Automation, die hinter dieser Logistik steckt: Thomas Dupont, Koordinator für Fahrzeugtürme und Fördertechnik seit 2014. "Im Prinzip ist das hier ein automatisiertes Parkhaus. Ein fast identisches steht in Vancouver - bekannt aus "Mission Impossible" mit Tom Cruise. Wir können hier bis zu 110 Fahrzeuge pro Stunde durchschleusen. Aber das muss alles akribisch im Vorwege programmiert sein und permanent überwacht und instandgehalten werden", erklärt er mit Blick auf das rund 1,3 Kilometer lange Schienensystem, auf dem die Fahrzeuge teilweise unterirdisch in die Türme hinein- und hinauskommen. Einen anderen Teil des Weges passieren die Neufahrzeuge überirdisch, und zwar wettergeschützt in einer oval geformten gläsernen Brücke über die Mittelstraße des Volkswagen-Werks.


Der beeindruckende Turm umfasst 20 Etagen auf fast 50 Metern Höhe mit insgesamt 768 Parkplätzen.

Der spannendste Job in der Autostadt
Ganz bescheiden beschreibt er seine Position: "Wir sind ein Team von 15 Leuten im Zwei-Schicht-System: Elektro-Techniker, Programmierer, Mechatroniker - ich bin halt nur obendrüber." Und was konkret "oben drüber" beinhaltet, wird beim Rundgang an Überwachungsmonitoren vorbei bis hin zu Havarie-Plätzen deutlich: "Ich koordiniere sowohl die Lifttechnik als auch die Brandschutzmaßnahmen, ebenso die Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten wie die Ersatzteilbeschaffung. Aber auch VIP- Führungen sowie Presse-Begleitungen oder die Modernisierungen und Optimierungen in der Projektarbeit gehören in mein Tätigkeitsfeld. Und dann bestelle ich auch mal den Maler, wenn Farbe an der Wand abbröckelt. Meine Chefin sagt immer ´Ihr Job ist der interessanteste in der ganzen Autostadt´ - und das will ich gar nicht abstreiten!" verrät er verschmitzt lächelnd.

Besonders spannende Einblicke gewährt uns Thomas Dupont in schwindelerregender Höhe auf dem Gitter-Dachboden der Türme: Nicht nur der Fotograf ist begeistert, welch tolle Bilder die Perspektive von ganz oben auf die 384 Parknischen freigibt. Sondern bemerkenswert auch, dass hier oben einfach mal ein kompletter Ersatzmotor sowie ein Ersatz-Getriebe für die Liftanlage bereitstehen. Thomas Dupont erklärt: "Die Kunst ist, auf alles vorbereitet zu sein. Bei uns sind alle Verbindungen nur gesteckt, nicht geschraubt - im Fall des Falles muss alles schnell gehen, um den Ausfall der Anlage so kurz wie möglich zu halten."

Und am Ende folgt im wahrsten Sinne des Wortes der Höhepunkt unseres Rundgangs: Hoch oben auf dem Dach offenbart sich unter freiem Himmel der schönste Blick über die gesamte Stadt bis hin zum Brocken. Und als wir eine geheimnisvolle Kiste entdecken, erklärt der Herr der Türme: "Ja, das ist ein Rutschtunnel zwecks Evakuierung im Notfall. Das müssen wir regelmäßig proben.“

Thomas Dupont steht im Technikraum: Von dort aus koordiniert und kontrolliert er mit seinem Team die Abläufe in den Türmen und hat dan zahlreicher Monitore die Lage bestens im Blick.
Aber wie funktioniert die Fördertechnik genau? Ganz einfach: Ein Teleskop-Shuttle aus Metall, versehen mit viel Sensorik, fährt unter die Fahrzeuge und zieht sie auf den Lift-Arm. Rasend schnell mit 2 Metern pro Sekunde gleitet das Fahrzeug in die Höhe.
Dann im letzten Schritt: Auf einer der 20 Etagen auf fast 50 Meter Höhe verteilt angekommen, wird das Fahrzeug zielsicher auf einem der 768 Parkplätze geparkt.
Vom Dach der Türme kann Thomas Dupont schönen Ausblick über die gesamte Autostadt genießen.

5 beeindruckende Fakten der Gläsernen Türme

  • Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde als schnellstes Auslieferungs-Zentrum der Welt
  • Rund 1.000 Glasscheiben
  • 20 Etagen auf 48 Meter Höhe
  • Für Notfälle gibt es einen Panic-Room, einen Rutsch-Kanal vom Dach und Löschkanonen samt Havarie-Platz für Elektro-Fahrzeuge